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BIOLOG - Schulkoffer Evolution und Genfluss - Pflanzeninvasionen | |||||||||||||||||||
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Hier finden Sie den Flyer zum Schulkoffer (.pdf)!
Die Synthetische Evolutionstheorie wurde in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts formuliert. An dieser Theorie haben Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen mitgearbeitet und deren unterschiedliche Sichtweise wurde durch diese Theorie geeint. Einer der Mitbegründer war der Botaniker und Populationsbiologe Ledyard Stebbins aus Davis in Kalifornien, USA. Heute hat diese Theorie vor allem durch die Erkenntnisse aus der Molekularbiologie Erweiterungen erfahren, ihre Gültigkeit bleibt jedoch bestehen. Die Synthetische Evolutionstheorie wird erklärt durch die Variabilität anhäufende Mechanismen (Mutation, Rekombination und Genfluss) sowie die Variabilität wieder verringernde Mechanismen (Selektion, Isolation und Genetische Drift). Der Schulkoffer "Pflanzeninvasionen" soll Mechanismen des Genflusses an einigen Beispielen erklären, die in der heutigen Zeit im Zuge der globalen Veränderungen die heimische Biodiversität zu verändern drohen.
Unter Genfluss versteht man die Ausbreitung von Genen, bzw. von Allelen zwischen Populationen einer Art. Dies kann durch Pollentransfer und anschließende Bestäubung geschehen. Eine andere Möglichkeit ist die Ausbreitung von Diasporen, also z. B. Samen oder Früchte, die durch den Wind verblasen werden und sich an neuen Orten etablieren können. Finden biologische Invasionen statt, brechen geographische Isolationsbarrieren zusammen. Trifft der Einwanderer auf Einheimische, so besteht die Möglichkeit der friedlichen Koexistenz. Alle möglichen anderen Szenarien sind jedoch denkbar: Direkte Verdrängung der einheimischen Pflanze aus ihrem Habitat, Hybridisierung mit der einheimischen Pflanze und eine Unterwanderung des einheimischen Genpools, Veränderung der Bodenbeschaffenheit. Pflanzen stehen in Wechselwirkung mit anderen Organismen z.B. Bestäubern. Durch die Veränderung der Flora können ganze Lebensgemeinschaften empfindlich gestört werden. Invasionen gelten heute neben Habitatverlust, Klimawandel und Versalzung von Böden als eine der Hauptursachen für den globalen Wandel.
Im Zuge des internationalen Warentransfers hat die vom Menschen gewollte oder ungewollte Verbreitung Organismen über die ganze Welt zu einem Artenverlust geführt, der bislang in seinem Ausmaß und in seiner Geschwindigkeit vorher noch nie registriert wurde. Die Konsequenzen für die Veränderungen unserer Welt sind zurzeit nicht abzusehen.
Mit unserem Schulkoffer möchten wir Beispiele für botanische Invasionen demonstrieren, welche Möglichkeiten es gibt diese aufzuspüren und wir möchten Handlungsoptionen aufzeigen, die solche Invasionen vermeidbar machen.
Das Drüsige Springkraut tritt in Europa als invasiver Neophyt auf, also als eine hier nicht heimische, aber fest eingebürgerte Pflanzenart, welche sich auf Kosten anderer Organismen ausbreitet. Auch wenn eine Frucht im Schnitt nur neun Samen entwickelt, die durch einen bekannten Schleudermechanismus (siehe auch: "Rühr-mich-nicht-an") ausgeschleudert werden, belegt die rapide Verbreitung die Effektivität dieser optimierten Vermehrungsstrategien.
Die Blüten sind vormännliche Rachenblumen. Sie werden meist durch Honigbienen, seltener durch Hummeln bestäubt. Der im Sporn verborgene Nektar ist stark zuckerhaltig und wird reichlich produziert. Noch entscheidender ist, dass die Pflanze einen sehr hochwertigen, ebenfalls zuckerhaltigen Pollen anbieten kann. Mit dieser Ausstattung und dem intensiven Duft schränkt sie die Möglichkeit zur sexuellen Vermehrung bei ihren einheimischen Standortkonkurrenten stark ein, zumal Hummeln ein besonders gutes Langzeitgedächtnis für gute Futterquellen haben. Auch Selbstbestäubung ist möglich, aber wegen der ausgeprägten Vormännlichkeit selten.
Durch einen Schleudermechanismus, der schon durch Regentropfen ausgelöst werden kann, schleudern die Früchte ihre Samen bis zu sieben Meter weit weg (Saftdruckstreuer). Eine Pflanze produziert etwa 1600 bis 4300 Samen. Deren Keimfähigkeit (etwa 80 Prozent) bleibt mehrere Jahre erhalten. In Reinbeständen können bis zu 32000 Samen pro Quadratmeter Boden auftreten. Als Fernausbreitung kommt auch Klebausbreitung und Wasserausbreitung durch wandernden Flusssand und Flusskies in Frage. Durch Hochwasser abgerissene Pflanzenteile können nach Anlandung im Boden wurzeln und neue Pflanzen bilden. Schließlich hat auch der Mensch in den letzten 30 bis 50 Jahren die Ausbreitung der Art gefördert: Zunächst wurde das Drüsige Springkraut als Gartenpflanze, gelegentlich auch wegen des reichlich produzierten Nektars als Bienenfutterpflanze aus der ostindischen Heimat importiert. Die Art kam 1839 nach England und wurde danach in vielen europäischen Gärten kultiviert. Weiterhin wurden in dieser Zeit Silber-Weiden-Gebüsche in Pappelforste umgewandelt. In diesen Forsten fanden sie auf gestörtem Boden, in Überschwemmungsgebieten entlang der Bachläufe die Springkrautbestände optimale Wachstumsbedingungen. Es entstanden so Dominanzbestände mit einer Deckung von 75 bis 100 Prozent. Sogar Bestände der Großen Brennnessel (Urtica dioica) wurden so verdrängt.
Die Verbreitung dieser Pflanzenart reicht heute vom Indischen Subkontinent und Himalaya, über Europa bis Nordamerika. Das Drüsige Springkraut ist seit etwa 50 Jahren in weiten Teilen der Welt vollkommen eingebürgert, vor allem in Weiden-Auenwäldern, im Auengebüsch und an Ufern. Die Art liebt feuchte bis nasse, nährstoffreiche Böden an eher schattigen Standorten mit hoher Luftfeuchtigkeit. Nach Ellenberg ist sie eine Halblichtpflanze, ein Schwachsäure- bis Schwachbasezeiger, stickstoffreiche Standorte anzeigend und eine Unterklassencharakterart der Klebkraut-Brennnessel-Gesellschaften (Galio-Urticenea). Das Drüsige Springkraut droht die einheimische Vegetation von ihren natürlichen Standorten zu verdrängen.
Die ursprünglich aus dem Himalaya stammende Art wurde 1839 aus Kaschmir erstmals nach England importiert und gelangte von dort aus als Zierpflanze auf den europäischen Kontinent. Sie gehört damit zu den sogenannten hemerochoren Pflanzen, die ethelochor - also gezielt - eingeführt wurde. Elf Jahre nach der Einführung als Gartenzierpflanze waren bereits erste wild vorkommende Pflanzen zu beobachten, in den Achtziger- und Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts konnten bereits Verwilderungen in Frankreich, an der deutschen sowie der niederländischen Nordseeküste festgestellt werden. Heute ist sie nahezu auf dem gesamten europäischen Kontinent verbreitet. Sie ist nur im Mittelmeerraum nicht zu finden.
Das Drüsige Springkraut wird vielerorts als standortfremd bekämpft, so im Bayerischen Wald, wo es sehr häufig geworden ist, durch den Bayerischen Wald-Verein. Die Bekämpfung des Drüsigen Springkrautes ist aber schwierig und zeitaufwändig. Dazu müssen die einzelnen Pflanzen vor der Samenreife von Hand ausgerissen oder knapp über Bodenhöhe geschnitten werden. Dies ist dort sinnvoll, wo sich die Pflanze erst neu angesiedelt und noch keine großen Bestände gebildet hat oder wo die Verdrängung seltener einheimischer Pflanzen droht.
Es ist allerdings anzumerken, dass durch Verschleppung von Samen und Öffnung des Habitats für aggressivere Neophyten zumindest an Uferstandorten eine manuelle Bekämpfung des Springkrauts mehr Schaden als Nutzen anrichten kann. Eine Verringerung der Nährstoffbelastung der Gewässer (weniger Eintrag von Düngemitteln) erscheint hier sinnvoller, da unter diesen Bedingungen die ursprüngliche Vegetation normalerweise ohne weitere Maßnahmen das Springkraut innerhalb weniger Jahre verdrängen kann.
Das Kleine Springkraut ist eine 20 bis 60 cm hohe, von Juni bis September blühende, einjährige Pflanze. Die hellgelben, kleinen Blüten stehen aufrecht und besitzen einen geraden Sporn. Jeweils vier bis zehn Blüten sind dabei in traubigen, blattachselständigen Blütenständen angeordnet. Die Sprossachsen sind etwas glasig und an den Gelenken geschwollen. Die eiförmigen Blätter haben einen sägezahnartigen Rand.
Es handelt sich bei dieser Pflanze um einen Neubürger (Neophyt) mit ursprünglicher Heimat in Tadschikistan, Kaschmir.
Die zerstreut auftretende Pflanze kommt in Laub- und Mischwäldern, in Gebüschen, Gärten und Schutthalden an schattigen Plätzen vor. Sie liebt lockere, kalkarme oder kalkfreie, etwas feuchte Böden.
Der Wollsockenversuch imitiert den Gang durch eine Wiese und was alles an den Kleidungsstücken haften bleibt. Eine Möglichkeit der Ausbreitung von Diasporen ist die Verbreitung durch Tiere (Zoochorie). Viele Früchte und Samen haben Kletteinrichtungen, mit denen sie sich an Vektoren festheften können (Epizoochorie). Vögel können so als Fernverbreitungsvektoren dienen.
Das Beifußblättrige Traubenkraut ist eine invasive Pflanze, die ursprünglich aus Nordamerika stammt. In Deutschland wurde diese Pflanzenart erstmals 1860 in Hamburg gefunden. Seit Beginn der 1990er Jahre wird eine zunehmende Ausbreitung der Pflanze in Deutschland festgestellt. Heute befinden sich besonders im Südwesten (Oberrheingraben) und Osten (Lausitz) sowie in einigen Städten wie Berlin größere Bestände. In der Schweiz (Melde- und Bekämpfungspflicht) trat die Art im Ersten Weltkrieg erstmals auf. Mittlerweile ist sie in Südosteuropa (beispielsweise in der Ukraine, Bulgarien und in Ungarn) weit verbreitet. In anderen Ländern (Italien: Poebene, Österreich: Wiener Becken und nördlich der Alpen, Frankreich: unteres Rhonegebiet) kommt sie in einzelnen Gebieten bereits häufig vor. Als Ruderalpflanze wächst sie besonders auf gestörten Böden, so beispielsweise an Straßenrändern, in Kiesgruben, an Bahndämmen, auf Baustellen und Schutthalden. Die häufigsten Wuchsorte sind aber Gärten, besonders unter Vogelfutterplätzen, weil mit Ambrosia-Samen verunreinigtes Vogelfutter der Haupteinfuhrweg ist. In einer Untersuchung des Verbrauchermagazins Ökotest aus dem Jahr 2007 waren nur drei von 18 Vogelfutterprodukten frei von Ambrosia-Samen.
Die Pollen des Traubenkrauts gehören zu den stärksten Allergie-Auslösern. Bereits ab sechs Pollen pro Kubikmeter Luft reagieren empfindliche Personen allergisch, ab elf Pollen je Kubikmeter wird von einer starken Belastung gesprochen (zum Vergleich: bei Gräserpollen wird eine Konzentration von mehr als 50 Pollen pro Kubikmeter als starke Belastung bezeichnet). Die unbehandelte Allergie kann allergische Reaktionen der Augen und der Atemwege auslösen und im schlimmsten Fall auch zu Asthma führen. Der späte Blütezeitpunkt der Ambrosia von Juli bis Oktober bedeutet eine zusätzliche Belastung der Pollenallergiker durch eine Verlängerung der Pollensaison, wenn Gräserpollen nur noch in geringen Mengen fliegen.
Termine zur Benutzung des Schulkoffers „Pflanzeninvasionen“ erfolgen nach Absprache mit |