Die Sonnenfinsternis am 11.8.1999

Inhalt

Klick auf die Bilder liefert grössere!

Vorbereitungen - Das Wetter
Der Tag X
Das Beobachtungsprogramm
Die Totalität - ein faszinierendes Schauspiel
Beobachtungen von Osnabrückern

mehr Informationen: Flash-Spektrum, Vergleich mit Satellitenbildern, Wettersatellitenbilder, Wetter und Photovoltaik


Vorbereitungen - Das Wetter

Wie oft schlägt das Wetter nach einer ausgeprägten lang andauernden Hochdruckwetterlage um. Doch wo wird die Finsternis am ehesten zu sehen sein? Schon eine Woche vor der Finsternis verheißen alle Wettervorhersagen im Internet nichts gutes: Deutscher Wetter Dienst DWD, Meteofrance, Donnerwetter, Wetterleuchten, Wetterzentrale und der österreichische Wetterdienst. Von Westen driftet das Tief "Oleg" gen Skandinavien und eine Front staut sich an den Alpen. Lediglich in dem Gebiet hinter der Front ist mit Auflockerungen zu rechnen und das bedeutet vor allem im Saarland und Frankreich. Damit fiel die Wahl auf den Standpunkt Metz, wohin wir am 9. aufbrachen, um zunächst in Bonn zwischenzuübernachten. Doch abends im Wetterbericht der Tagesschau der Schreck: nun hat auch das Gebiet in Südostdeutschland wieder eine Chance auf klaren Himmel!

Der Versuch am Dienstagmorgen noch einen der Wetterdienste im Internet zu erreichen ist hoffnungslos - das Internet ist in die Richtung offenbar total verstopft. Lediglich die Wetterzentrale meldet gleiches wie die Tage zuvor. Also geht es auf gen Metz, doch am Mittag ist dort der Himmel wolkenverhangen - keine guten Aussichten. Bereits an der Grenze nach Luxemburg weisen Schilder auf ein LKW-Fahrverbot am 11. zwischen 10 und 15 Uhr hin, was sich an der Grenze nach Frankreich wiederholt. In Frankreich wird mit riesigen Plakatwänden vom Gesundheitsministerium auf die Gefahren der Sonnenbeobachtung hingewiesen und die Benutzung der Sonnenfinsternisbrillen empfohlen, überall, auch in kleineren Orten, finden SoFi-Feste statt. Die Höhen westlich von Metz werden nun erkundet, dort hat man gute Sicht nach Westen, um den Schatten ankommen zu sehen. Das flache Hochland wird für Ackerbau genutzt, hier ist kaum mit Staubewölkung zu rechen. Der Wetterbericht im französischen Fernsehen weist auf eine weitere Front hin, die von Westen kommt, lediglich zwischen den beiden, das heißt zwischen Reims und Metz, soll es die besten Beobachtungsmöglichkeiten geben.

Fazit: Offenbar waren die Vorhersagen bereits eine Woche vor der Finsternis relativ zuverlässig!
 

Der Tag X

Am 11. ist morgens der Himmel in Metz wieder wolkenverhangen. Der Wetterbericht verkündet nun, dass die Aussichten sich noch verschlechtert haben, und lediglich in der Picardie und im Norden der Champagne mit einigen Aufklarungen zu rechnen ist. Gleichzeitig wird aber bereits von kilometerlangen Staus auf den Autobahnen und der Sperrung der Innenstadt von Reims berichtet. Ein Blick auf die Karte von Michelin im Maßstab 1:200 000: westlich von Metz gibt es um Verdun noch einige Berge (Forêt de Argonne), die für eine Staubewölkung sorgen könnten, während sich weiter westlich (etwa 30 km östlich von Reims) eher flaches Land erstreckt, das sehr dünn besiedelt ist und wo die Straßen über Kilometer gerade laufen. Hier dürften es keine Probleme mit Staus geben, hier wäre vielleicht am ehesten aufgelockerte Bewölkung zu erwarten. Auf der Autobahn A4 gen Westen scheint auch nicht allzu viel Betrieb zu sein. An der Zahlstelle der Einfahrt erhalten wir ein Infoblatt über die Finsternis, dann geht es los. Bald lockert die Bewölkung auf, blaue Himmelsfetzen werden sichtbar. Doch in den Wäldern um Verdun wird es finster und es beginnt sogar, kräftig zu regnen.

Stau an der Autobahnabfahrt von Ste. Menehould

Dann die Autobahnabfahrt Ste. Menehould, ein kleiner Ort mit gerade 6000 Einwohnern: hier staut sich der Verkehr vor der Zahlstelle bis auf die Autobahn zurück. In vielen Autos sind Fernrohre auf den Hintersitzen oder im Gepäckraum zu erkennen. Nach 20 Minuten ist dann endlich die Zahlstelle passiert. Ein überfahrenes Stoppschild bringt wir noch einen unangenehmen Kontakt mit der Gendarmerie ein, ich soll 900 FF (~270 DM) Strafe zahlen. Doch auch die Polizisten denken bereits mehr an die Finsternis, spielen mit ihren Finsternisbrillen und lassen uns schließlich ohne Strafzettel fahren.

Immer geradeaus geht die Straße nach Norden, Richtung zum Ort Vouziers, der genau auf der Zentrallinie liegt. Die Landschaft ist leicht wellig und sie wird intensiv landwirtschaftlich genutzt, die Kreide-Champagne. In mehreren Orten gibt es deutsche Soldatenfriedhöfe , die daran erinnern, dass hier im ersten Weltkrieg heftige Schlachten tobten. Die Wolkendecke lockert nun immer weiter auf, vereinzelt stehen erste Pkws auf den Feldwegen, daneben sind oft Fotoapparate, Ferngläser oder -rohre auf Stativen aufgebaut. Die Autokennzeichen stammen fast nur aus F, B oder NL, keine D-Schilder fallen auf. 5 Kilometer vor der Zentrallinie werden diese Gruppen größer. Bald ist zu befürchten, keinen günstigen Beobachtungsplatz mehr zu erhalten, oder gar im Stau stecken zu bleiben. So entschließen wir uns, auf einem Feldweg östlich des Ortes St. Morel (GPS-Standpunkt:b = 49° 20' 15.7", l = 4° 42' 54.2" E) unsere Geräte aufzubauen, auch wenn bereits ein halbes Dutzend Autos am Wegrand steht. Dieser Standpunkt liegt etwa 5 km vor der Zentrallinie, was die Dauer der Totalität kaum verkürzen wird.
 

Der deutsche Kriegsgräberfriedhof von Monthois, 6500 Tote aus dem 1. Weltkrieg 


Immer wieder passieren Fahrzeuge, manche biegen noch in den Feldweg ein. Der Himmel bietet immer noch das gleiche Bild: vorwiegend Cumuluswolken mit einzelnen, teilweise größeren blauen Lücken. Inzwischen, gegen 11.07.30, ist der Mond vor die Sonnenscheibe gewandert, gelegentlich ist der Blick mit den Finsternisbrillen auf die Sonne möglich. Auch die Beobachtungsinstrumente sind aufgebaut. Gegen 12 Uhr hängt längere Zeit eine dicke graue Wolke vor der Sonne, während im Ort St. Morel, nur 2 km weiter westlich, immer die Sonne scheint. Sollten wir unseren Beobachtungsort schnell dorthin verlegen? Wir entscheiden uns, zu bleiben. Immer wieder blinkt die nun verbliebene schmale Sonnensichel über der schwarzen Wolke hervor. Das Licht ist inzwischen ganz fahl geworden, da naht im Westen die schwarze Wand heran: der Schatten ist im Anzug.
 

Die letzte Sonnensichel

 

Das Beobachtungsprogramm

Die benutzten Kameras: im Vordergrund die "Russentonne", dahinter das 500mm Objektiv

Die partielle Phase wurde mit einer "Russentonne", einem Maksutov mit 1000 mm Brennweite, 1/11, Baader ND 3-Folie (Dank an Tele-Optic) mit dem Orangefilter, das der Optik beilag, aufgenommen. Tests hatten zuvor ergeben, dass mit einem 100 ASA Diafilm bei 1/1000 s Belichtungszeit Sonnenflecken noch gut zu erkennen sind. So war auch bei der Finsternis eine 3er Gruppe nahe der Mitte der Sonnenscheibe gut zu erkennen. Während der Totalität sollte die innerste Korona und die Protuberanzen ohne Filter mit Belichtungszeiten bis zu 1/250 s aufgenommen werden.

Für die Aufnahme der Korona war ein Pentagon 5.6/500 Objektiv bestimmt, Aufnahmematerial war ein 400 ASA Film, die Belichtungszeiten wurden über einen weiten Bereich von 1/500 s bis zu 10 s variiert, um möglichst viele Nuancen der Korona zu erfassen.

Mit einem 4/100 Objektiv und einem davor gesetzten Beugungsgitter, das im August 1997 der französischen Astronomie-Zeitschrift Ciel et Espace beilag, sollte das Flash-Spektrum aufgenommen werden. Die Größe des Gitters entspricht einem Kleinbilddia, leider gibt es keine Angaben über die Zahl der Gitterlinien, die wesentlich Dispersion (Aufweitung des Spektrums) und Auflösungsvermögen bestimmen. Aufnahmematerial der Spektrographenkamera war ein 400 ASA-Diafilm, die Aufnahmen erfolgten in der 1. Ordnung.
 

Die Kamera mit dem Transmissionsgitter 


Die Szene wurde während der Totalität mit einer SVHS-Videokamera aufgenommen. Es sollte die Reaktionen der Personen aufgenommen werden. Die Kamera wollte ich nicht für die Aufnahme der Finsternis einsetzen, da die Handhabung der manuellen Einstellung von Fokus und Blende während er kurzen Totalität zu viel der knappen Zeit verschlungen hätte. Parallel dazu lief noch eine Tonbandkassette mit, die im Hintergrund auch die Live-Reportagen des Radiosenders France Info aufzeichnete.
 

Die Temperatur während der Finsternis

Mit 2 automatischen Sensoren wurde ferner die Temperatur gemessen. Die Sensoren konnten erst mit dem heimischen PC ausgelesen und ausgewertet werden (mit Unterstützung von F. Sandkühler). Der Temperaturabfall (rote Kurve) während der Totalität lag bei ca. 5 Grad, die Luftfeuchtigkeit (grüne Kurve) ist angestiegen.


Die Totalität - ein faszinierendes Schauspiel

Schon vor der Totalität nahm die Temperatur spürbar ab, doch ist unklar inwieweit daran die dunkle Wolke beteiligt war. Als nur noch eine dünne Sichel zu sehen war richtete ich den Spektrographen auf die Sonne: hell strahlt das kontinuierliche Spektrum. Die Sonne war bereits so schmal, dass nun bereits die Fraunhoferschen Absorptionslinien als Abbild der Sichel zu sehen waren. Dann, mit Verschwinden der Photosphäre verschwand das Kontinuum mit den Absorptionslinien, statt dessen wurden nun die charakteristischen Emissionslinien des Flash-Spektrums von der Chromosphäre sichtbar - eine eindrucksvolle, farbenprächtige Veranschaulichung der Sonnenphysik!

Beim Blick durch den Sucher der langbrennweitigen Kameras waren eindrucksvoll die Protuberanzen zu sehen: mehrere flache am östlichen Rand, jeweils eine größere am nördlichen und südlichen Rand, drei größere am westlichen Rand, eine weitere schwebt rund 70 000 km über dem Mondrand.
 


Die innere Korona mit Protuberanzen, belichtet 1/250 s mit f=1000mm

nach dem 2. Kontakt vor dem 3. Kontakt

Die silbrig schimmernde Korona zeigte die Symmetrie einer Maximumskorona mit zahlreichen Strahlen und anderen Strukturen. Sie lassen sich weit nach draussen verfolgen. Links der Sonne fällt sofort Venus ins Auge, auf der anderen Seite ist leicht auch Merkur zu sehen. Die Sicht auf andere Sterne wird durch zahlreich Wolken gestört.
Die Fotos geben kaum den Eindruck wieder, den man mit bloßem Auge hatte. Je länger belichtet wurde, um die schwächsten Ausläufer zu zeigen, desto mehr wurden die inneren Bereiche der Korona überbelichtet. Das zeigt gut die Sequenz unterschiedlicher Belichtungszeiten bei 500mm Brennweite:
 

1/250 sec belichtet 1/60 sec belichtet 1/15 sec belichtet
1/4 sec belichtet 1 sec belichtet

Die 1 sec belichtete Aufnahme wurde etwas aufbereitet. Werden alle Aufnahmen überlagert, gibt das Bild ungefähr den Anblick fürs blosse Auge wieder:
 

Die Sonnenkorona, 1 sek belichtet mit f=500 mm,
die inneren Bereiche der Korona sind überbelichtet
 
Überlagerung aller Aufnahmen, um die Strukturen besser sichtbar zu machen (ideal nur mit Grafikkarte auf 16 Mio. Farben eingestellt)

Ein Einfluß auf die Tierwelt konnte nicht beobachtet werden, fliegende Schatten wurden nicht bemerkt, allerdings wurde (wohl vor Aufregung) auch nicht darauf geachtet.

Viel zu schnell ging die Totalität zu Ende. Wieder wurde das Flash-Spektrum fotografiert und die Absorptionslinien waren noch einige Zeit im kontinuierlichen Spektrum der schmalen Sonnensichel zu sehen. Schnell rase ich auf die kleine Anhöhe, um den nach Osten entschwindenden Schatten noch zu fotografieren. Bald verschwand auch das blaue Wolkenloch wieder, was uns demonstrierte, welch ungewöhnliches Glück wir hatten! Die Wolken wurden wieder dichter, doch immer wieder kam mal die Sonne durch.
 

Der Schatten verschwindet wieder 


Immer mehr von der Sonne wird in den Wolkenlücken wieder sichtbar:
 

Nun noch einmal ein Blick auf die Sonne, nun sind auch wieder Sonnenflecken sichtbar. Die Aufnahmebrennweite der "Russentonne" ist nun mit einem 2fach Konverter verdoppelt worden:
 



Berichte anderer Osnabrücker aus der Totalitätszone

(Vollen Namen sind nur genannt, wenn ausdrücklich eingewilligt wurde)

In Saarbrücken stand T.T. im Regen und wurde Klatschnass. Ähnliches Pech hatte F.V.
Henner Striedelmeyer hatte nördlich von Forbach ebenfalls Pech; da eine Wolke die Sonne verdunkelte.

Frank Berger und Margit Weichler, OS, hatten nur wenige Kilometer weiter östlich im Mandelbachtal klaren Himmel, während der Totalität gab es einen Donnerschlag und wenige Minuten nach der Totalität begann das Gewitter.

Gert Köster hatte auf dem Friedhof von Kirchnaumen in F etwas Glück: die verfinsterte Sonne war zeitweise durch Wolkenlücken zu sehen.

S. H. hatte bei Rastatt das Glück, während der Totalität für wenige Sekunden ein kleines Wolkenloch zu erwischen.

Herr Vossel, Melle, hatte Languyon in F, nahe der luxemburger Grenze Glück.

C.H. und U.S. hatten in Karlsruhe wahnsinniges Glück: kurz vor der Totalität riss der Himmel auf!

W. B. hatte bei Eppenbrunn südlich von Pirmasens Pech: es regnete.

Angelika Leipner war in Großingersheim und dort zog gerade zur Totalität eine Wolke vor die Sonne.

Walter Maus hatte bei Sigmaringen ebenfalls Pech.

E.H. hatte im Steinheimer Becken Pech.

Ein OS-Auto wurde im Chiemgau gesichtet und muss dort wohl gute Sicht gehabt haben.

Familie B. hatte ebenfalls im Chiemgau gute Sicht auf das eindrucksvolle Ereignis.

Familie Straherjahn, OS, hatte bei Teisesee im Chiemgau gutes Wetter.

Familie Exner, Bramsche, ist bis Ungarn an die Donau gereist (bei Peks). Nach einem kräftigen Gewitter am Morgen war die Luft zur Finsternis sehr rein.

Familie Fiebag, OS hatte südlich von Augsburg während der Totalität klaren Himmel.

Familie Runschke, GMH, hatte bei Grandvilliers in der Normandie Glück und Eike hat fantastische Fotos geschossen!

In dieser Karte (der NASA) sind gute Beobachtungsbedingungen grün, schlechte rot eingetragen, blau umrahmt ist der Ort, wo die hier geschilderten Beobachtungen gewonnen wurden. (Klicken auf die Karte liefert Gesamtkarte!)

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Sofern nicht anders erwähnt, alle Bilder copyright Andreas Hänel